Else Züblin-Spiller

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Else Züblin-Spiller, Non-Profit-Unternehmerin
Else Züblin-Spiller
Strasse für die Soldatenmutter, Zürich-Albisrieden

Else Züblin-Spiller, bis 1921 Else Spiller (* 1. Oktober 1881 in Seen (heute Winterthur); † 11. April 1948 in Kilchberg) war eine Schweizer Journalistin, Abstinenzlerin, Unternehmerin und Mitbegründerin einer heute noch bestehenden Non-Profit-Organisation.

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sie war die Tochter eines Sulzer-Monteurs, der mit 39 Jahren an Tuberkulose starb. Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter mit den drei Kindern in ein kleines Heimwesen mit etwas Landwirtschaft in Wallisellen. Um beim Lebensunterhalt der Familie mitzuhelfen, nahm Spiller verschiedene Stellen in Papierhandlungen und im Hotelgewerbe an.

1904 bekam sie eine Stelle im Druckereibüro des Jean Frey Verlages, wo sie mit dem Schreiben von Berichten für verschiedene Landzeitungen begann. Später schrieb sie für die NZZ sozialpolitische Reportagen und wurde 1911 erste Redaktorin einer politischen Zeitung, der Schweizerischen Wochenzeitung. Gleichzeitig redigierte sie die Schweizer Hauszeitung und leitete den Pressedienst der Heilsarmee. Unter anderem berichtete sie aus den Slums moderner Grossstädte in Europa, die sie bereiste.

Sie gründete 1914 den Schweizer Verband Soldatenwohl als Non-Profit-Organisation, um die Schweizer Soldaten mit preiswerter und gesunder Kost zu versorgen und dem verbreiteten Alkoholkonsum etwas entgegenzusetzen. Unter ihrer Leitung entstanden in der Zeit des Ersten Weltkrieges, vom November 1914 (Bassecourt) bis Ende 1919, in der ganzen Schweiz gegen 1000 und im Zweiten Weltkrieg rund 700 alkoholfreie Orte („Soldatenstuben“), wo die Soldaten auch ihre Freizeit verbringen konnten.[1]

1916 gründete Else Spiller in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Militärdepartement und dem Schweizerischen Roten Kreuz die Soldatenfürsorge, die ab 1917 auch kranke Wehrmänner beschäftigte. Ende des Ersten Weltkriegs begleitete sie 200 Schweizer Industrielle auf ihrer Reise nach Amerika. Die Unternehmer nahmen sich die Fliessbänder der Detroiter Ford-Auto-Fabrik zum Vorbild, Spiller die Einrichtungen für die Arbeiterschaft: Horte und Kantinen.

Nach dem Krieg engagierte sie sich für die Arbeiter und Arbeiterinnen in Winterthur und Umgebung und richtete in Fabriken und Schreibstuben alkoholfreie Kantinen nach dem Vorbild der Soldatenstuben ein. Züblin entwickelte Reglemente zur Kantinenführung und kämpfte für eine Kostenbeteiligung durch die Arbeitgeber. 1918 konnte die erste derartige Arbeiterstube bei der Maschinenfabrik Gebrüder Bühler in Uzwil eröffnet werden.

Mit der Einrichtung weiterer Kantinen entwickelte sich der Schweizer Verband Soldatenwohl schnell und wurde 1920 in Schweizer Verband Volksdienst umbenannt. Heute hat die SV Stiftung als Hauptaktionärin der SV Group die Aufgabe, die Gründungsidee zu bewahren.

Else Spiller heiratete 1921 Ernst Züblin, den sie auf der Amerikareise kennen gelernt hatte, und zog nach dem frühen Tod ihrer Schwägerin deren vier Kinder gross.

Else Züblin-Spiller war in der Schweizer Frauenbewegung aktiv, wirkte 1928 bei der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa) und 1946 am Dritten Frauenkongress mit. Sie leitete ab 1939 die Genossenschaft des Schweizer Frauenblatts. 1938 war sie Mitbegründerin des zivilen Frauenhilfsdienstes FHD und gehörte bis 1941 der FHD-Kommission an. Im Zweiten Weltkrieg war sie Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Kriegsernährung, musste sich aber nach dem Krieg als Frau mit einem Einsitz in den Kommissionen für Auslandschweizerfragen und Heimarbeit begnügen.

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1936 den Binet-Fendt-Preis des Eidgenössischen Departements des Innern
  • 1941 von der Universität Zürich als zweite Frau das Ehrendoktorat
  • Die Städte Zürich (seit 1949)[2] und Winterthur (seit 1. April 2003) haben sie mit Strassennamen geehrt. In Winterthur heisst auch die naheliegende Bushaltestelle «Else Züblin».

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Slums. Erlebnisse in den Schlammvierteln moderner Grossstädte. 1911. Neu herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Payer. Czernin Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-7076-0267-8.
  • Von der Not des Lebens. Handelsdepartement der Heilsarmee, Bern 1913.
  • Aus unseren Soldatenstuben. Geleitwort von Theophil Sprecher von Bernegg, Verlag Schweizer Verband Volksdienst-Soldatenwohl, 1915.
  • Aus meinem Leben. Erinnerungen. Rascher Verlag, Zürich 1929, OCLC 603858632.
  • 30 Jahre Volksdienst-Soldatenwohl. Schweizer Verband Volksdienst-Soldatenwohl, Zürich 1944.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Regula Ludi: Else Züblin-Spiller. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Suzanne Oswald: Else Züblin-Spiller. (= Schweizer Heimatbücher. Band 137). 1968.
  • Moia Schnyder: Zwei Pionierinnen der Volksgesundheit. In: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik. 26, 1973.
  • Alfred A. Häsler: Else Züblin. In: E. Jaeckle, E. Stäuble (Hrsg.): Grosse Schweizer und Schweizerinnen. 1990.
  • SV Foundation (Hrsg.): Ernährung, Emanzipation und Erfolg: ein Leben lang. Kontrast Verlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-906729-72-5
  • Peter Payer: Worte und Taten. Die Schweizer Journalistin Else Spiller (1881–1948) und ihr Kampf gegen die Armut. In: medien & zeit. Nr. 1/2010, S. 4–11.
  • Verena Parzer Epp, Claudia Wirz: Wegbereiterinnen der modernen Schweiz. Avenir Suisse (Hrsg.) Verlag Neue Zürcher Zeitung Libro, Zürich 2014, ISBN 978-3-03823-928-4.
  • Bernhard Ruetz: Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik: Die einzigartige Geschichte der SV-Group: Pionierin der Gemeinschaftsgastronomie. Verein für wirtschaftshistorische Studien VWS (Hrsg.) Zürich 2014 (pioniere.ch PDF).
  • Franziska Rogger: Gebt den Schweizerinnen ihre Geschichte! Marthe Gosteli, ihr Archiv und der übersehene Kampf ums Frauenstimmrecht. Verlag Neue Zürcher Zeitung Libro, Zürich 2015, ISBN 978-3-03810-006-5. (Leseprobe)

Film

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Schweizer Soldatenstuben im Ersten Weltkrieg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Heinz Bächinger: Else Züblin-Spiller im Winterthur Glossar. In der Version vom 9. Februar 2022; abgerufen am 14. März 2022.
  2. Auszug aus dem 13. Geschäftsbericht der Siedlungsgenossenschaft «Sunnige Hof» von 1956: Wir wollten diese edle Frau und unvergessliche Soldatenmutter ehren und haben daher einer Quartierstrasse in unserer Siedlung in Albisrieden ihren Namen gegeben.